Aggressiver Hund
Gibt es überhaupt DEN aggressiven Hund?
Eigentlich nicht, denn Aggression ist nie ein Dauerzustand (das würde man nicht lange überleben).
Aggression ist ein normales Verhalten…
Wer von uns ist noch nie bei einer Facebook-Diskussion, beim Autofahren oder in ner Warteschlange wütend geworden?
Dennoch sind wir schockiert, wenn uns ein Hund anknurrt, wenn er bei einem Artgenossen in die Leine springt oder lautstark den Postboten verbellt.
Der Grund dafür liegt überwiegend in unserem Wunsch uns selbst zu schützen (egal ob es sich um unser körperliches Wohl oder um den Frieden in der Nachbarschaft handelt).
Wir wollen also vermeiden, dass sich unsere Hunde aggressiv verhalten.
Doch was gehört eigentlich alles zur Aggression?
Oft höre ich: „mein Hund bellt, knurrt, springt in die Leine, wenn wir andere Hunde treffen. Aber aggressiv ist er nicht“.
Beginnen wir bei der Funktion von aggressivem Verhalten. Warum machen das unsere Hunde überhaupt (dann wird vielleicht gleich klar, was alles dazu gehört)?
Aggressionsverhalten dient immer dazu, die Distanz zu etwas oder jemandem zu vergrößern. Das ist auch der Grund, warum es keine Beuteaggression geben kann (Jagen soll den Abstand immer verringern).
Der Hund möchte sich mit seinen Aktionen also etwas vom Leib halten.
Das zeigt er durch:
- Starren
- Bellen
- Knurren
- Zähne fletschen
- Schnappen (in die Luft oder gezielt)
- Schubsen
- Stoßen (mit geschlossenem Mund gegen etwas stoßen)
- Kopf auflegen
- Beißen
- …
Wenn wir also einen Hund sehen, der schreiend in der Leine hängt, dann handelt es sich in dem Moment meist um Aggressionsverhalten.
Das bedeutet nicht, dass der Hund böse ist oder unverträglich oder schlecht erzogen.
Die Hauptursache für aggressives Verhalten ist Angst.
Wenn sich also ein Hund in einer Situation unwohl fühlt, wird er das ausdrücken. Dabei ist er anfangs noch sehr subtil (leichte Beschwichtigungssignale) und wird immer deutlicher, bis es zum Angriff kommt. Die Notwendigkeit so zu reagieren ist immer dann gegeben, wenn andere Strategien nicht funktionieren (zB weglaufen) und die feinen Signale ignoriert oder gar bestraft werden.
Deshalb ist es so wichtig, einen Hund niemals für Drohverhalten zu strafen (Knurren zB). Das würde nur dazu führen, dass der Hund verlernt zu drohen und immer schneller zum Angriff übergeht.
Es gibt klassische Situationen, die häufig brenzlig werden.
Hundebegegnung
Der Hund sieht einen anderen Hund und wenn der nahe genug ist, gibt es ein riesen Getöse an der Leine.
Meist sind diese Hunde im Freilauf völlig unauffällig und verträglich.
Hier spielt oft Frustration mit.
Die Hunde lernen als Welpen: „wann immer ein Hund auftaucht, laufe ich dort hin und es gibt eine riesen Party“. Sobald sie dann jugendlich werden, dürfen sie plötzlich nicht mehr überall hinlaufen und da sie das nie gelernt haben, wird jede Begegnung unglaublich frustrierend.
Deshalb ist es so wichtig, dass in Welpenstunden eben nicht immer sofort gespielt wird und auch in der Freizeit der Welpe nicht einfach überall hinlaufen darf (das ist ohnehin nicht besonders rücksichtsvoll, denn nicht jeder andere Hund mag Welpen).
Doch das ist nicht die einzige Ursache.
Oft haben die Hunde einfach nie erlebt, dass man anderen Hunden in gerader Linie, mit einer Leine begrenzt, entgegen latscht. Eine gerade frontale Annäherung ist immerhin sehr unhöflich unter Hunden.
Deshalb können wir leicht helfen, indem wir kleine Bögen gehen.
Und wenn unsere Hunde schon so weit sind, dass sie jeden anderen Hund lautstark vertreiben wollen, kommt es auf die richtige Distanz an.
Ist das Kind nämlich schon in den Brunnen gefallen, können wir nur noch so schnell und unbeschadet wie möglich aus der Situation rauskommen.
Ressourcen/Territorium
Das Territorium ist nichts anderes als eine Ressource, weshalb diese beiden Themen zusammengefasst werden.
Viele Hunde verteidigen irgendwas
- Wasser
- Futter
- Kauzeug
- Spielzeug
- Liegeplatz
- Die eigene Unversehrtheit (die wichtigste Ressource)
- Das Zuhause
- Die Bezugsperson
- …
Manche sind dabei deutlicher als andere und das liegt an einer Kombi aus Persönlichkeit und Lerngeschichte.
Oft erschrecken wir, wenn unsere Hunde das erste Mal knurren, wenn wir uns einem Kauknochen nähern. Klar, wir wollen uns ja in unserem Zuhause sicher fühlen und oft löst es auch eine emotionale Achterbahn in uns aus („mag er mich nicht“, „warum vertraut er mir nicht“, „er ist undankbar“,…).
Doch auch dieses Verhalten ist normal.
Wie oft gibt es in Beziehungen das Thema „mit meinem Auto fahre nur ich“?
Wenn wir also Ressourcenverteidigung bei unserem Hund erkennen, hat das erstmal nichts mit unserer Bindung oder mit Undank zu tun.
Der Hund ist sich seiner Ressource einfach nicht 100% sicher und möchte ausdrücken, dass ihm die wichtig ist.
Deshalb nehmen wir ihm nicht ständig seine Sachen weg (so etwas kann Ressourcenverteidigung auslösen) sondern respektieren erst einmal die Grenze, um dann gezielt daran zu verarbeiten, diese zu verschieben.
Wir erklären dem Hund also mit gezieltem freundlichen Training, dass wir keine Gefahr für seine Ressource darstellen und er sich entspannen kann.
Wie so ein Training genau aussieht, kommt dann natürlich auf die Art der Ressource, den Hund und gegen wen sich die Aggression richtet an.
Und manchmal sehen wir auch Überschneidungen von Hundebegegnungen und Ressourcen, wenn der Hund andere Hunde grundsätzlich gruselig findet und die Bezugsperson eine wichtige Ressource für ihn darstellt.
Du siehst schon, das Thema ist sehr vielgesichtig und Aggression ist nicht gleich Aggression.
Deshalb macht es immer Sinn, beim Training einen Profi zu Rate zu ziehen, der bei der Einschätzung hilft und auch einen maßgeschneiderten Plan erstellen kann.
Zudem können wir dabei auch mögliche körperliche Ursachen identifizieren oder zumindest ausschließen lassen.
Denn besonders plötzlich auftretende Verhaltensänderungen oder wenn Aggression plötzlich heftiger oder häufiger wird, steckt oft ein gesundheitliches Problem dahinter.
Immerhin sind wir auch reizbarer, wenn wir Kopfschmerzen haben, oder?
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