Aggression beim Hund – Angst vorm eigenen Haustier

hund knurrt

Was ist Aggression?

Für viele nach wie vor ein Tabuthema und das, obwohl die Mehrheit der Hundehalter auf die eine oder andere Weise schon einmal damit in Berührung gekommen ist.

Der eine knurrt, wenn man seinem Lieblingsspielzeug zu nahe kommt, der andere möchte draußen jeden anderen Hund vertreiben und wieder ein anderer hat solche Angst vor Menschen, dass er schnappt, wenn er sich bedroht fühlt.

So gibt es viele Varianten der Aggression und häufig ist sie nicht so offensichtlich, dass man sie so benennen muss. Oft genug hört man dann „er bellt nur, aggressiv ist er aber nicht“. Doch es ist vollkommen verständlich, wenn man erst einmal andere Worte für das Verhalten des eigenen Hundes finden möchte. Denn oft erntet man ja bei jedem kleinen Beller böse Blicke oder wird vielleicht sogar beschimpft.

Es ist also sehr mutig, wenn du dir ehrlich eingestehst, ihr habt ein Aggressionsproblem.

Doch wie geht man jetzt am besten damit um?

Immerhin liest man überall, man solle so etwas auf jeden Fall unterbinden. Aber stimmt das? Und wenn ja, wie?

Zu allererst muss man festhalten, wie weit der Hund bereits in der Aggression ist. Also Knurrt er noch (das wäre erst einmal Kommunikation), dann kann er hierfür belohnt werden, oder schnappt/beißt er vielleicht schon?

Knurren belohnen, klingt komisch? Stimmt, aber wenn wir uns in die Lage des Hundes versetzen, verstehen wir schnell, warum das Sinn macht.

Stell dir folgendes vor: du stehst in der Schlange (warum auch immer) und die Person hinter dir rückt immer näher an dich heran. Du fühlst dich damit zunehmend unwohl. Anfangs hoffst du vielleicht noch darauf, dass sich die Person eines besseren besinnt. Dann wirfst du vielleicht einen mehr oder weniger deutlichen Blick in seine/ihre Richtung. Klappt das auch nicht wirst du die Person vielleicht ansprechen und bitten, Abstand zu halten (hier sind wir beim Knurren). Und wenn das auch nicht fruchtet, wirst du eventuell Konsequenzen ergreifen, wie lauter werden (deutlicheres Knurren/Bellen, Zähne fletschen), mit der Polizei drohen, weggehen oder sogar schubsen (das wäre das Schnappen beim Hund).

Hast du dich gut in diese Situation hineinversetzen können, wirst du eventuell gespürt haben, wie das Unbehagen immer stärker wurde.

So fühlt sich dein Hund auch, wenn er Aggressionsverhalten zeigt. Er kann mit der Situation nicht umgehen und möchte den Auslöser von sich fern halten. Denn nur diesen Zweck erfüllt Aggression. Sie hat nichts mit einer (imaginären) Rangordnung zu tun und der Hund möchte auch nicht unsere Grenzen austesten.

Doch warum fühlt sich der Hund unwohl in der Situation?

Zu allererst ist hier wichtig, ein Auge auf mögliche medizinische Ursachen zu werfen. Denn hat ein Hund beispielsweise Bauch- oder Gelenkschmerzen, ist er schneller gereizt oder regiert vielleicht aggressiv. Das ist ja bei uns Menschen ganz genauso.

So kann eine ungeeignete oder mangelhafte Ernährung beispielsweise ein Verhalten auslösen, an dem wir garnicht erst herumtrainieren brauchen. Auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind bei unseren Hunden ein häufiges Problem, das sich negativ auf ihr Wohlbefinden auswirkt. Hier kann ein guter Ernährungsberater (oder -tierarzt) oder ein Tierheilpraktiker am besten helfen.

Die Häufigste Ursache, abgesehen von oben genannten, für Aggression ist tatsächlich Angst bzw Unsicherheit. Diese kann entstehen, wenn der Hund schlechte oder (häufiger) keine Erfahrung mit ähnlichen Situationen gemacht hat.

Ein Beispiel

Könnte der Schäferwelpe in seiner frühen Kindheit nie mit einer Bulldogge zu tun gehabt haben. Jetzt trifft er beim Spazieren gehen auf eine Bulldogge, die beim Laufen schnauft und vielleicht sogar röchelt. Das klingt für den Schäfer bedrohlich oder er versteht es nicht, und möchte sicherheitshalber mehr  Abstand zu diesem Artgenossen. Anfangs zeigt er das vielleicht durch Beschwichtigung/Deeskalationsverhalten (Schlecken, Blinzeln, Kopf abwenden, Schnüffeln, Bogen laufen, Bewegung verlangsamen bis zum vollständigen Einfrieren, Körper abwenden usw) und das ist der entscheidende Moment, der viel zu oft verpasst wird (von beiden Seiten).

Zeigt die Bulldogge hier ebenfalls Deeskalierendes Verhalten, die Menschen unterstützen durch Bogen und zwischen den Hunden Laufen und achten auf ausreichend Platz und möglicherweise Belohnung, wird keiner der beiden Hunde Aggressionsverhalten zeigen. Leider passiert das so gut wie nie.

Der übliche Ablauf ist eher etwas wie, beide laufen gerade aufeinander zu, die Bulldogge hat schon verlernt, höflich zu sein und latscht hinter ihrem Menschen her, während der junge Schäfer immer unentspannter wird, bis er es nicht mehr aushält und dann explodiert. Und hier passiert folgendes: die Bulldogge geht mit ihrem Menschen weiter (also am Schäfer vorbei und entfernt sich!), meist mit einem doofen Kommentar dieses. Die Distanz zwischen den Hunden wird also wieder größer. Der Schäfer spürt Erleichterung, weil die Situation nicht mehr so bedrohlich ist.

Er lernt: wenn ich aus der Haut fahre, geht der andere Weg. In dem Moment ist das die stärkste Belohnung, die er sich wünschen kann, also wird er dieses Verhalten in Zukunft öfter zeigen.

Dieses Beispiel kann man in ähnlicher Form bei den meisten Situationen wiederfinden, wo Aggression im Spiel ist. So friert beispielsweise ein ängstlicher Hund ein, wenn ihn jemand streicheln möchte, aber derjenige versteht das nicht und nimmt die Hand erst weg, wenn der Hund schnappt. Auch hier ist das wegnehmen der Hand erleichternd für den Hund und damit belohnend.

Jedoch ist Angst nicht immer die (einzige) Ursache für aggressives Verhalten. Oft liegt auch Frust dahinter verborgen. Diesen sehen wir oft bei jungen Hunden, die als Welpe immer mit allen Hunden spielen durften und als Junghund plötzlich brav an der Leine an Artgenossen vorbeilaufen sollen. Oder aber bei Hunden, die durch gut gemeintes Impulskontrolltraining über die Schwelle geschubst werden.

So kann es vorkommen, dass der Hund ein Leckerchen haben möchte, aber der Mensch hätte gerne ein geduldiges Warten. Der Hund versteht die Anforderung nicht und bietet alle möglichen Tricks an, die er gelernt hat. Da nichts davon klappt, muss er sich etwas anderes überlegen um an den Keks zu kommen. Hunde mit hoher Frustrationstolleranz geben vielleicht irgendwann auf und bekommen dafür das Leckerli. Andere jedoch drehen entweder vollkommen durch, oder beginnen in die Hand zu schnappen (das ist keine durchdachte Handlung sondern passiert im Affekt). Der Halter erschrickt daraufhin vielleicht und lässt das Leckerli fallen. Der Hund bekommt also was er wollte. Auch das ist die ultimative Belohnung.

Und selbst, wenn die Belohnung ausbleiben würde, hat Aggressionsverhalten einen hohen selbstbelohnenden Charakter. Dies ist begründet im Belohnungssystem des Gehirns, das bei Aggression aktiviert wird und fröhlich Hormone freisetzt, die sich richtig gut anfühlen (übrigens nicht nur beim Hund). Wir kennen das als „Dampf ablassen“.

Das Training

Es macht also keinen Sinn dieses Verhalten zu ignorieren. Dadurch wird es nicht verschwinden, sondern eher schlimmer. Stattdessen müssen wir uns eine Möglichkeit überlegen, den Hund in den Situationen zu unterstützen, mit denen er nicht umgehen kann. Wir müssen seine Emotion in der Situation ändern (dies geschieht mit ausreichend Distanz und Belohnung) und ihm Alternativen zeigen, die ihm den Umgang damit erleichtern.

Dieses Training sollte jedoch immer von einem kompetenten Trainer begleitet werden, der fundiertes Wissen hat, wie Lernen funktioniert (also nichts von Korrektur, Rudel oder ähnlichem erzählt).

Außerdem ist es wichtig, das passende Equipment zu benutzen. Ein gut sitzendes Brustgeschirr ist einem Halsband vorzuziehen und ein Maulkorb mag vor möglichen Verletzungen schützen. Auch dieser muss jedenfalfls gut sitzen und positiv auftrainiert werden. All das wird ein Trainer gerne mit dir besprechen und dir auch bei der Auswahl helfen.

Nur so bekommen wir einen souveränen, gelassenen Hund an unserer Seite, der uns vertraut und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.

Du möchtest jetzt etwas ändern? Dann kannst du dich gleich hier zum kostenfreien Vorgespräch (per Zoom oder Telefon) anmelden.

 

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