BLOG: Der Hundehalter
Kennst du den Spruch „das Problem liegt immer am anderen Ende der Leine“, oder so ähnlich?
Doch ist das wirklich so? Was, wenn ein total toller Mensch einen „Problemhund“ aus dem Tierheim aufnimmt?
Was, wenn jemand einen Welpen aufnimmt, sehr liebevoll und achtsam mit ihm umgeht und nach einem Beißvorfall entwickelt der Hund eine Leinenaggression?
Ist also wirklich immer der Halter schuld?
Wenn’s wirklich so ist
Natürlich gibt es Fälle, wo diese Weisheit durchaus Berechtigung hat.
Zeigt der Mensch seinem Hund nämlich kein Verständnis und die Beziehung ist geprägt von Druck, Strafe und Verboten, ist es nicht weiter verwunderlich, wenn der Hund sowohl unberechenbar als auch problematisch wird.
Das ist darin begründet, wie Lebewesen lernen.
Es gibt hierbei nur 2 Möglichkeiten, Strafe und Verstärkung. Strafe lässt ein Verhalten weniger oft, Verstärkung dagegen häufiger, auftreten. Wie du siehst, entscheidet der Hund, ob etwas eine Strafe oder eine Belohnung ist.
So kann zB ein nett gemeintes Streicheln über den Kopf für den Hund in der Situation unangenehm sein und er empfindet es als Strafe (auch wenn es vom Menschen als Belohnung gemeint war). Beobachte also immer genau, wie dein Hund reagiert.
Dann gibt es noch „positiv“ und „negativ“, was hier aber nur „hinzufügen“ und „wegnehmen“ bedeutet.
Möchte ich also, dass sich mein Hund auf Signal hinsetzt, er macht das ganz großartig und ich gebe ihm dafür ein Leckerli (daraufhin setzt er sich gerne und schneller als bisher), ist das positive (Angenehmes hinzufügen) Verstärkung (Verhalten hat sich gelohnt und wird öfter gezeigt).
Randaliert der Hund dagegen an der Leine und bekommt dafür einen Ruck am Kettenwürger, wodurch er aufhört damit (!), handelt es sich um positive (schmerzhaftes/unangenehmes hinzufügen) Strafe (Verhalten wird weniger häufig gezeigt).
Und dann haben wir noch die negativen Varianten. Bei der negativen Verstärkung entferne ich einen unangenehmen Reiz, wodurch das Verhalten öfter gezeigt wird (zB bellt der Hund am Zaun und der Postbote geht weg). Die negative Strafe bedeutet, dass etwas Angenehmes weggenommen wird (zB wird der Hund vom Schnüffeln abgerufen und angeleint, ohne Belohnung), wodurch das Verhalten weniger häufig gezeigt wird.
Du siehst, wir haben selten Kontrolle über Verstärker oder Strafen, denn die bekommt jedes Lebewesen praktisch ständig durch die Umwelt.
Möchten wir aber etwas Bestimmtes von unserem Hund, müssen wir aus diesen 4 Bausteinen auswählen. Natürlich haben diese 4 Möglichkeiten aber auch immer eine emotionale Wirkung auf den Hund
- Positive Verstärkung = Freude
- Positive Strafe = Furcht/Schmerz
- Negative Verstärkung = Erleichterung
- Negative Strafe = Frust
Wahrscheinlich wirst du jetzt schon sehen, warum sich gute Trainer überwiegend mit positiver Verstärkung an Übungen machen (wobei eine Vermeidung eines Quadranten nicht vollständig möglich ist).
Natürlich lernen auch unsere Hunde am liebsten über positive Verstärkung. Es baut das Selbstbewusstsein auf (wie bei uns auch, wenn wir gelobt werden), macht Spaß und die „Arbeit“ wird gerne gemacht.
Menschen, die aber im Verbieten feststecken, können in dem Moment nicht über positive Verstärkung arbeiten, denn das Verhalten soll ja weniger werden.
Wenn du vergleichst, welche Emotionen also benutzt werden um etwas zu verbieten, erkennst du schnell, dass das keine schönen Erfahrungen für den Hund geben kann.
Wird also ein Verhalten immer wieder Unterdrückt, ohne die Ursache zu bearbeiten, reißt sich der Hund solange er kann zusammen (er möchte ja Strafe vermeiden). Das ist aber irgendwann nicht mehr möglich und er „explodiert“. Hier wird’s dann richtig gefährlich, denn das Verhalten tritt deutlich schlimmer wieder auf. So kann ein Hund, dem das Bellen an der Leine verboten wurde vielleicht so heftig ausrasten, dass er sich losreißt und dabei Halter, Artgenossen und/oder dessen Halter verletzt.
In solchen Fällen liegt die Schuld tatsächlich ausschließlich beim Menschen.
Glaubenssätze
Da du aber nicht zu diesen Menschen gehörst, hast du es eher mit alten Glaubenssätzen und komischen Ansichten zu tun.
Leider werden ganz großartige Halter oft bombardiert von blöden Kommentaren aus dem Umfeld oder auch von Menschen, die man beim Spazieren gehen trifft (ganz zu schweigen von Facebook). Nicht selten führt das zu massiven Selbstzweifeln.
Man macht sich Vorwürfe. Befürchtet, dem Hund nicht gerecht zu werden. Vielleicht nicht streng oder stark genug zu sein oder gar zu ängstlich.
Doch wenn man sich den Hund im Umgang mit seinem Menschen ansieht, werden diese Sätze völlig schwachsinnig.
Die andere Seite
Manche Menschen meinen ihre Ratschläge sicher gut („du musst mal richtig durchgreifen“ oä). Doch viele wollen einfach nur stänkern.
Bitte denk immer daran, dass niemand deinen Hund so kennt wie du. Vielleicht hat der andere noch nie mit so einem Hund gelebt und er hat ganz sicher nicht im Kopf, wie sich Strafe auswirken kann.
Und ganz bestimmt, kann ein liebevoller Umgang niemals aufgrund der Rasse problematisch werden („das ist ein Rottweiler, da kommst du mit deiner Weichspüler-Art nicht weiter“), was auch oft genug von Leuten behauptet wird, die entweder den eigenen Umgang rechtfertigen wollen oder Angst vor einer bestimmten Rasse haben.
Es kann auch niemand, rein am Problemverhalten, Lösungen parat halten, denn dazu zählt so viel mehr. Nicht umsonst macht ein guter Trainer erst einmal eine umfassende Anamnese, wo das ganze Leben, die Vorgeschichte und viel „Drumrum“ abgefragt wird.
Oft sind auch medizinische Ursachen hinter Problemverhalten zu finden. Auch das kann ein Außenstehender nicht wissen.
Lass dich also nicht verunsichern. Die Menschen wissen es nicht besser. Bist du dir unsicher, kannst du jederzeit mit einem kompetenten Trainer sprechen und deinen Weg nochmal besprechen.
Gute Trainer
Wie schon erwähnt, legen gute Trainer den Fokus auf positive Verstärkung. Das bedeutet nicht, den Hund mit Futter voll zu stopfen, sondern mit den Bedürfnissen des Hundes zu arbeiten um erwünschtes Verhalten zu bekommen.
Wie du siehst, wird hier auch der Blick auf Erwünschtes gelegt, statt am Fehler hängen zu bleiben. Dies braucht in unserer Gesellschaft leider etwas Übung, denn wir werden sehr Fehlerbasiert erzogen (man braucht sich nur mal das Schulsystem ansehen).
Es wird also immer erst einmal geschaut, welches Verhalten für Hund und Halter eine erwünschte Alternative zum Problemverhalten darstellt.
Doch leider scheinen manche Trainer diesen wertschätzenden Umgang nicht auf den Menschen übertragen zu können. Gar nicht selten werden Halter beleidigt und runter gemacht. Es wird mit Vorwürfen geschmissen und der Halter wird als dumm oder unfähig dargestellt.
Du musst dir das nicht gefallen lassen!
Auch du als Halter hast ein Recht auf wertschätzenden Umgang.
Fühlst du dich nicht gut aufgehoben, kannst du das jederzeit ansprechen und bei Bedarf auch den Trainer wechseln.
Immerhin muss die Chemie nicht nur zwischen Hund und Trainer, sondern vor allem zwischen dir und dem Trainer stimmen.
Dasselbe gilt auch dafür, wenn der Trainer etwas von dir verlangt, womit du dich nicht wohl fühlst. Hör auf dein Bauchgefühl und spür‘ in die Ratschläge hinein. Es gibt immer mehrere Wege ans Ziel und wenn sich der vorgeschlagene nicht gut anfühlt, kannst du das deinem Trainer sagen. Er wird sich bemühen, eine Alternative für dich zu finden, mit der du dich wohl fühlst.
Das Bauchgefühl ist meist der beste Ratgeber.
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