Wenn sich der Hund verabschiedet
Ist es schon Quälerei oder hat mein Hund noch Lebensfreude?
Die meisten Hundehalter kommen am Ende eines Hundelebens in den „Genuss“ dieser Frage. Durch die Möglichkeit des Einschläferns müssen wir uns diese Frage auch leider früher oder später stellen, denn wir wollen unseren Hunden ja einen schmerzvollen Tod nach langem Leiden ersparen.
Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für diese finale Entscheidung?
Sind wir egoistisch weil wir unseren geliebten Freund noch etwas länger bei uns haben wollen?
Oder vielleicht, weil er in der letzten Lebensphase auch für uns anstrengend wird?
Dürfen wir überhaupt Mühe empfinden, wo er doch so lange und treu an unserer Seite war?
Ich bin ein Mensch, der sich wahnsinnig schnell Vorwürfe macht, weil bestimmte Gefühle aufkommen. Gerade als Hundetrainer und durch meine Vergangenheit im Hunde-Hospiz sollte ich eigentlich total unerschütterlich sein, wenns „schwierig“ wird.
Doch auch ich war oft mit meinen Nerven am Ende, als unser erster Senior gegen den Gefühlsverlust in seinen Beinen gekämpft hat und das stundenlang lautstark kundgetan hat.
Ich kann also total gut verstehen, wenn es auch dir manchmal einfach zu viel wird.
Wir sind aber nun einmal nur bis zu einem gewissen Punkt belastbar. Wir leiden mit unseren Hunden, wenn es ihnen schlecht geht, oder sie verzweifeln.
Außerdem haben wir ja da auch noch ein anderes Leben, das vielleicht manchmal nicht so wirklich guten Einfluss auf unser Nervenkostüm hat.
Darfst du also mit den Nerven ab und zu am Ende sein?
JA!
Problematisch wird es dann, wenn du nicht mehr aus kannst und quasi in einem Loch steckst. Dann ist dringend Hilfe nötig.
Und soll ich dir ein Geheimnis verraten?
Du darfst dir immer Hilfe holen, wenn du diese brauchst.
Auch ich war in Chewies letzten Monaten in therapeutischer Behandlung. Einfach weil ich jemanden außenstehenden zum Reden gebraucht hat, der mich nicht verurteilt.
Leider ist das Umfeld ja oft sehr schnell in der Beratschlagung, wie denn mit einem alten Hund umzugehen sei.
Wir hören viele schmerzhafte Sätze wie: „naja, der kann ja eh kaum noch Laufen, lass den doch einschläfern“.
Auch die schüren wieder das schlechte Gewissen.
Eigentlich wissen wir, dass der Hund noch Lebensfreude hat. Wir sehen ihn aufblühen, wenn wir sein Lieblingsleckerli vorbereiten für einen Schnüffelteppich. Er freut sich, wenn wir nach Hause kommen. Er grunzt wohlig, wenn wir mit ihm kuscheln.
Es ist noch nicht so weit.
Doch wann ist es das dann?
Kann man das irgendwie erkennen?
Gibt es eine feste Zeit?
Zeichen, die es uns anzeigen?
Woran erkennt man, dass Leid die Lebensfreude überwiegt?
Diese Fragen habe ich mir so oft gestellt. Und eigentlich nie eine Antwort bekommen. Auch Kollegen, die schon Hunde begleitet haben konnten mir diese nicht beantworten.
Was mir im Endeffekt eine Antwort geliefert hat?
Mein Bauchgefühl.
Es ist ohnehin mein bester Ratgeber und auch in dieser extrem schweren Zeit, war es der beste Lehrmeister.
Vielleicht hast du unsere Geschichte verfolgt.
Wenn aber nicht, kommt sie hier in Kurzform:
Chewie ist im Alter von 13 Jahren zu uns gezogen. Er war ein munterer gesunder Senior mit total viel Energie (ja klar Border Collie haha).
Im ersten Jahr konnte man von seinem Alter noch überhaupt nichts merken. Er ist die selben Strecken gegangen wie unser Jungspund und das in erstaunlichem Tempo. Alles war interessant, Kekse suchen, Wild anschauen (und ohne Leine wäre er durchaus auch hinterher), Menschen begrüßen usw.
Doch irgendwann haben wir ein schleifen in seinen Hinterläufen festgestellt. Wir sind zu unserem damaligen Tierarzt und es wurde ein Gefühlsverlust festgestellt.
Zusätzlich konnten wir immer mehr Abneigung gegen Autofahren bemerken.
Das ging so weit, dass er während der Fahr wie am Spieß geschrien hat. Wer glaubt ich übertreibe, kann mich gerne anschreiben, es gibt eine Tonaufnahme -,-
Wir haben also trainiert und unsere neue Tierärztin aufgesucht (da war ein Umzug dazwischen). Den Weg zu ihr konnten wir bis zum Schluss gut meistern.
Er bekam wöchentliche Physiotherapie und wurde gut medikamentös eingestellt (sowohl Schmerzen als auch um den Gefühlverlust zu bremsen).
Dadurch konnten wir noch ein Jahr mit ihm verbringen. Allerdings wurde er, vor allem hinten, immer schwächer. Das hat dazu geführt, dass er immer mehr verzweifelte.
Dieser stolze Hund brauchte immer mehr Hilfe.
Also habe ich ihm eine Tragehilfe gehäkelt, damit er sein Spezialgeschirr zuhause nicht mehr tragen musste (ist ja doch recht massig) und wir haben ihm beim Aufstehen, Stiegensteigen und die letzten Monate beim Kot absetzen geholfen.
Doch trotzdem konnte er den Verlust seiner Selbstständigkeit nicht gut akzeptieren. Er hat geweint. Und das mitunter über Stunden und mit erstaunlicher Lautstärke.
Das hat mich oft verzweifeln lassen, denn ich konnte ihm diese Verzweiflung nicht nehmen.
War das der Zeitpunkt ihn gehen zu lassen?
NEIN!
Er wollte noch nicht gehen, davon bin ich überzeugt.
Spätestens an dem Tag, als es dann so weit war, wusste ich, die Entscheidung war richtig.
Er hat einen Tag ausgesucht, wo wir zuhause waren und keine Termine hatten.
Seine Augen haben bereits Bände gesprochen und wir haben unseren Tierarzt angerufen, dass er ihn zuhause auf seine letzte Reise schickt.
Bis zu Mittag sind wir mit unserem Chewie auf dessen Lieblingsplatz gesessen und haben gekuschelt. Er wollte nicht mehr aufstehen und sich auch nicht mehr aufheben lassen.
Eine letzte Mahlzeit Faschiertes (etwas anderes wollte er nicht mehr) hat er aus der Hand gegessen.
Dann war es so weit.
Unser Tierarzt ist angekommen.
Chewie war bereits auf dem Weg (Herzschlag bereits verlangsamt, Reaktionen gedämpft). Der Tierarzt hat ihm den letzten Gang erleichtert.
Er ist friedlich in meinem Arm eingeschlafen.
Ich bin sicher, der Zeitpunkt war genau richtig. Er hat es uns eindeutig gezeigt.
Zu der Zeit habe ich im Hospiz gearbeitet und insgesamt 6 Hunde (darunter Chewie) begleitet. Sie alle haben es eindeutig gezeigt.
Von diesen Hunden haben sich 5 die Rauhnächte und den Frühling ausgesucht. Ich habe mit Kollegen darüber gesprochen und auch sie konnten meine Beobachtung bestätigen. Es scheint eine besondere Zeit zu sein und der Abschied scheint leichter zu fallen.
Auch jetzt wohnt wieder ein Senior bei mir und auch er wird schwächer. Wie lange er noch bei mir sein wird? Ich kann es nicht sagen.
Wir genießen die Zeit miteinander und ich bin überzeugt davon, dass er mir zeigt, wenn es so weit ist.
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